katalanische Sprache und Literatur.

katalanische Sprache und Literatur.
katalanische Sprache und Literatur.
 
Das Katalanische ist eine westromanische, typologisch zwischen dem Okzitanischen und dem Spanischen stehende Sprache. Es wird insgesamt von rd. 9,5 Mio. Menschen gesprochen: in Katalonien sowie in einem aragonesischen Grenzstreifen, im größten Teil der Provinz Valencia, in Andorra (wo es Amtssprache ist), im französischen Département Pyrénées-Orientales, auf den Balearen und auf Sardinien in der Stadt Alghero (katalanisch L'Alguer). Das Katalanische war im Mittelalter eine wichtige Kultur- und Verkehrssprache im Mittelmeerraum. Durch die politische Vorherrschaft Kastiliens seit dem 16. Jahrhundert verringerte sich seine Bedeutung; 1714 wurde ihm der Status als Amtssprache genommen, 1768 das Spanische als obligatorische Unterrichtssprache eingeführt, doch blieb Katalanisch weiterhin die Muttersprache aller Bevölkerungsschichten. Neue öffentliche Bedeutung gewann die Sprache im Zuge der Romantik. Mit dem Sieg des zentralistischen Franco-Regimes 1939 ging diese Entwicklung abrupt zu Ende. Während der Diktatur Francos (bis 1975) verlor das Katalanische jeden offiziellen Status; öffentlicher Gebrauch war bis in die 60er-Jahre weitgehend unterdrückt. Die mit der Demokratisierung angestrebte Gleichstellung mit dem Spanischen in Verwaltung und Unterrichtswesen ist durch die spanische Verfassung von 1978 garantiert und v. a. in Katalonien und auf den Balearen weitgehend erreicht. Normierungsinstanz des Katalanischen ist das Institut d'Estudis Catalans (gegründet 1907). Es gibt ausschließlich in Katalanisch sendende Fernsehstationen sowie eine Fülle katalanischer Tages- und Wochenzeitungen.
 
Erste Denkmäler der katalanischen Literatur sind vom Ende des 12. Jahrhunderts erhalten (»Homilies d'Organyà«, um 1200). Die mittelalterliche katalanische Dichtung stand zunächst ganz unter okzitanischem Einfluss. Ihre Blüte erreichte sie im 15. Jahrhundert in den Dichtungen von Jordi de Sant Jordi (✝ 1424) und A. March. Die Prosa war bereits seit dem 13. Jahrhundert voll entwickelt. Neben hervorragenden Chroniken (König Jakob I. [katalanisch Jaume I.]; Ramon Muntaner, * 1265, ✝ 1336) stehen die didaktisch-religiösen Werke von Arnaldus von Villanova, die Schriften von Francesc Eiximenis (* um 1327, ✝ 1409) und das Predigtwerk von Vinzenz Ferrer. Herausragend ist das Werk von R. Lullus (katalanisch Ramon Llull), das (in lateinischen Fassungen) in ganz Europa rezipiert wurde; weitere Höhepunkte der älteren katalanischen Literatur sind der didaktische Dialog »Lo somni« von B. Metge sowie die beiden Ritterromane »Tirant lo Blanc« (von J. Martorell, 1490) und »Curial e Güelfa« (anonym, geschrieben zwischen 1435 und 1462). J. Roig schrieb den frauenfeindlichen satirischen Roman »Espill o Llibre de les dones« (entstanden um 1459-60, gedruckt 1531 unter dem Titel »Llibre de consells«), der das zeitgenössische Leben realistisch spiegelt. Nach der Personalunion der Königreiche Aragonien-Katalonien und Kastilien unter Karl V. (I.) seit 1516 und der endgültigen Verlegung des höfischen Lebens nach Kastilien (ab 1556) schrieben nur noch wenige Autoren in katalanischer Sprache. Diese Phase wurde erst im 19. Jahrhundert durch die Romantik und die Renaixença (katalanische Renaissance) beendet, die, national, historisch und philologisch am katalanischen Mittelalter orientiert, eine Neubelebung der katalanischen Literatur und deren Integration in die übrige europäische Literatur anstrebte; zugleich wurden die katalanische Sprache und Literatur Gegenstand wissenschaftlicher Forschung (Marià Aguiló i Fuster, * 1825, ✝ 1897; M. Milà i Fontanals).
 
Erste Ansätze der »Renaixença« finden sich bereits im 18. Jahrhundert bei A. de Capmany Surís i Montpalau, als Wegbereiter gelten weiterhin B. C. Aribau i Farriols (Ode »La pàtria«, 1833) und J. Rubió i Ors (Begründer der neukatalanischen Lyrik). Seit 1859 fanden mit den »Jocs florals« (»Blumenspiele«) Lyrikwettbewerbe statt, die eine große Zahl oft patriotischer Dichtungen hervorbrachten. Einen wichtigen Beitrag leistete auch die Lyrik der Schule von Mallorca (Tomàs Aguiló i Fuster, * 1812, ✝ 1884; M. Costa i Llobera; Joan Alcover, * 1854, ✝ 1926), die u. a. von Bartomeu Rosselló-Pòrcel (* 1913, ✝ 1938) fortgeführt wurde. Weit über den katalanischen Sprachraum hinaus berühmt wurde J. Verdaguer i Santaló, dessen Versepen für die katalanische Identität eine zentrale Bedeutung erlangten. Großen Anteil an der Erneuerung der katalanischen Sprache hatte die Zeitschrift »La Renaixença« (erschienen ab 1871). Wichtigster Autor des »Modernisme« war J. Maragall i Gorina (auch Übersetzer deutscher Literatur). Die zunächst literarische und kulturelle »Renaixença« wurde nach der Jahrhundertwende durch den »Noucentisme« politisiert, der die Ablösung von den literarischen Vorstellungen des 19. Jahrhunderts und eine »Identität von Politik und Literatur« anstrebte; Hauptvertreter sind der Essayist E. d'Ors i Rovira, die Lyriker J. Carner und C. Riba Bracóns, Vertreter einer avantgardistischen Tendenz J. Salvat-Papasseit und Josep Vicenç Foix (* 1893, ✝ 1987). Als bedeutende Dramatiker traten v. a. À. Guimerà mit »Terra baixa« (1897; danach Oper »Tiefland« von E. d'Albert), Santiago Rusiñol (* 1861, ✝ 1931) und J. M. de Sagarra hervor. Wichtigster Vertreter des katalanischen Naturalismus ist N. Oller i Moragas mit dem Roman »La papallona« (1882), den bedeutenden psychologischen Roman »Solitud« (1905) schrieb Víctor Català (eigentlich Caterina Albert, * 1896, ✝ 1966); als stilbewusster Prosaist gilt Joaquim Ruyra (* 1858, ✝ 1939); J. Puig i Ferreter trat insbesondere mit seinem autobiographischen Roman »Camins de França« (1934) hervor.
 
Unter der Franco-Diktatur setzten viele katalanische Autoren und Verlage ihre Arbeit im Exil fort. 1962, nach Milderung der Unterdrückung der regionalen Sprachen, wurde mit »Edicions 62« wieder ein Verlag gegründet, der - wenn auch unter Schwierigkeiten - katalanisch publizieren konnte (zunächst Übersetzungen europäischer und amerikanischer Literatur). Die bedeutenden Autoren, die auch unter der Diktatur katalanisch schrieben, sind S. Espriu, Mercè Rodoreda, Llorenç Villalonga (* 1897, ✝ 1980, aus Mallorca) sowie Josep Pla (* 1871, ✝ 1981). Wegen seiner experimentellen Lyrik und Dramatik wurde Joan Brossa (* 1919) wichtig für die moderne katalanische Literatur.
 
Mit der Wiederherstellung der Demokratie konnten katalanische Autoren wieder frei publizieren: Ein umfangreiches lyrisches Werk legte der Valencianer Vicent Andrés Estellés (* 1924, ✝ 1993) vor; ein bedeutender Essayist war Joan Fuster (* 1922, ✝ 1992) aus Valencia, ein fruchtbarer Romanautor der immer wieder experimentierende M. de Pedrolo. Mit Romanen sind auch die Mallorquiner Miquel Àngel Riera (* 1930, ✝ 1996), B. Porcel, Gabriel Janer Manila (* 1940), Maria Antònia Oliver (* 1946) und Carme Riera (* 1948) hervorgetreten; in Barcelona Maria Aurèlia Capmany (* 1918, ✝ 1991) und z. B. Montserrat Roig und Quim Monzó (* 1952). Als Vertreter einer modernen Lyrik sind Narcís Comadira (*1942) und Pere Gimferrer (* 1945) zu nennen. Jüngere Autoren, wie T. Moix, bedienen sich allerdings oft der spanischen (kastilischen) Sprache beziehungsweise beider Sprachen, um einen größeren Leserkreis zu finden. Viele bekannte Schriftsteller sind katalanischer Herkunft, publizieren aber ausschließlich spanisch (u. a. Juan Goytisolo, Carmen Laforet, Ana María Matute, M. Vázquez Montalbán).
 
 
Wörterbücher:
 
Diccionari català-valencià-balear, begr. v. A. M. Alcover, hg. v. F. de B. Moll, 10 Bde. (Palma de Mallorca 21978-79);
 J. Coromines: Diccionari etimològic i complementari de la llengua catalana, 9 Bde. (Barcelona 1980-91);
 L. C. Batlle u. a.: Katalanisch-deutsches Wb. (ebd. 1991);
 Institut d'Estudis Catalans: Diccionari de la llengua catalana (ebd. 1995);
 L. C. Batlle u. a.: Diccionari alemany-català (ebd. 1996).
 Grammatiken:
 
J. Lüdtke: Katalanisch. Eine einführende Sprachbeschreibung (1984);
 K.-H. Röntgen: Einf. in die katalan. Sprache (1987);
 A. M. Badia i Margarit: Gramàtica de la llengua catalana. Descriptiva, normativa, diatòpica, diastràtica (Barcelona 1995);
 J. Brumme: Prakt. Gramm. der katalan. Sprache (1997).
 
Diccionari de la literatura catalana, hg. v. J. Molas u. a. (Barcelona 1979);
 J. Hösle: Die katalan. Lit. von der Renaixença bis zur Gegenwart (1982);
 
Història de la literatura catalana, hg. v. M. de Riquer u. a., 11 Bde. (Barcelona 1984-88);
 J. Bonells: Histoire de la littérature catalane (Paris 1994).
 Enzyklopädien:
 
Diccionari enciclopèdic (Barcelona 1984);
 
Gran Enciclopèdia Catalana, 24 Bde. (ebd. 21986-89).
 Zeitschriften:
 
Estudis romànics (Barcelona 1947/48 ff.); Estudis de llengua i literatura Catalanes (ebd. 1980 ff.); Catalan Review (ebd. 1986 ff.); Llengua & Literatura (ebd. 1986 ff.); Ztschr. für Katalanistik (1988 ff.).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
mittelalterliche Literatur in Südwesteuropa
 

Universal-Lexikon. 2012.

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